Pudlo Pudlat (1916-1992)

Pudlo Pudlat wurde 1916 in einem Camp auf dem Land geboren und führte bis zu seinem vierzigsten Lebensjahr das Leben eines halbnomadischen Jägers und Fischers. Sein Leben spielte sich entlang der Südwestküste von Baffin Island ab, bis er in den späten Fünfzigerjahren in die Nähe von Cape Dorset zog, um sich von der Tuberkulose zu erholen, die durch Besucher aus dem Süden eingeschleppt, in der Arktis grassierte. Hier lernte er James Houston kennen, den die Inuit «Saumik» (den Linkshänder) nannten. Houston war ein Künstler, Autor und Filmemacher aus Ontario, der im Arktischen Quebec Studienreisen unternahm, auf welchen er zeichnete. Seine Begegnung mit Inuit führte zum Austausch künstlerischer Praktiken zwischen Inuit und dem weissen Besucher aus dem Süden. Huston erkannte das grosse handwerkliche Geschick der Ureinwohner und motivierte sie, kunsthandwerkliche Objekte, Steinskulpturen und Zeichnungen anzufertigen, die er 1949 in der Handicrafts Guild in Montreal einer begeisterten Öffentlichkeit präsentierte. Diese Ausstellung erfuhr weitreichendes Aufsehen. Sie gilt als Markstein für den Beginn dessen, was heute als Inuitkunst bezeichnet wird. Auch Pudlo Pudlat war ganz zu Beginn dieser Entwicklung mit dabei. Er begegnete James Houston 1958, als dieser sich in Cape Dorset mit seiner Familie niederliess. «Die ersten Bilder, die ich sah zeigte mir James Houston. Ich hatte zuvor zwar Bücher mit Bildern von Weissen gesehen, doch noch niemals Bilder von Inuit. Das erste Mal, dass ich Zeichnungen von Inuit sah war, nachdem James Houston [in Cape Dorset] ankam», erzählte Pudlo in einem Interview 1978. «Er sagte, ich soll etwas zeichnen und ich begann zu zeichnen.»  

Pudlo Pudlat war Zeuge der tiefgreifenden Veränderungen, die das traditionelle Inuitleben während der Fünfzigerjahre durchlief. Während der später renommierte Zeichner noch mit einem Fuss im nomadischen Leben stand, wurde moderne Technologie in der Arktis eingeführt: Geheizte Wohnhäuser mit Kühlschränken wurden per Schiff, Flugzeug oder Helikopter gebracht, Telefonstangen ragten in der Tundra auf und brachten eine neue Formen der Kommunikation unter die Menschen. Die Nahrungsmittel, welche per Boot an die Küsten gelangten führten auch zu neuen Regeln im Verhalten zwischen Mensch und Tier. Nicht nur Wünschenswertes war an Bord der fremden Schiffe, sondern auch Krankheiten, die das Leben der Inuit unwiederbringlich veränderten. All dies thematisiert Pudlo Pudlat in seinen surrealen Fantasiewelten: wenn die altehrwürdigen ummimaq (Moschusochsen) an heiteren Bändern angeleint, von Reitern zu Wasser geführt werden, ist dies ein sprechendes Bild für die Turbulenzen jener Zeit, welche die Inuit unsanft in das Leben des Westens katapultierten. Eines bleibt in Pudlos Werken immer deutlich: Die überragende Grösse der Natur. Seine Kompositionen - Transformationsthemen der modernen Art - machten ihn zu einem der interessantesten Zeugen der Zeit des Übergangs in der kanadischen Arktis. Pudlos Bildwelt, die moderne Technologie und die traditionelle Welt der Jäger und Sammler vereint, sind nicht zuletzt ein Zeugnis für die grosse Anpassungsfähigkeit, welche Inuit über Jahrhunderte das Überleben sicherte.

Im Verlaufe seines Lebens entwarf der Künstler rund 4000 Werke, die eine grosse Sammlergemeinde fanden. Heute sind meist nur noch die, in mehrfachen Auflagen entstandenen Steindrucke seiner Motive zu finden. Die faszinierenden Originalzeichnungen fanden ihren Weg in die Museen in Kanada und den USA. Eine kleine Auswahl ist derzeit in der Inuitgalerie zu sehen.

Die fantastische Welt von Pudlo Pudlat hat mehrere Künstler der Gegenwart zu eigenen Werken inspiriert. Mosha Folgers Film «The Big Lemming» ist eines dieser Projekte. Auch Arvo Leo hat 2014 einen 60-minütigen Kunstfilm gedreht, der von der Bilderwelt Pudlo Pudlats inspiriert ist: «Fish Plan Heart Clock» 

 

©J.Bromundt, Inuitgalerie 2018

Zurück